Gewerkschafter 4 Gaza
  • Kampagne
  • Berichte
  • Flyer
  • Über
  • Kontakt

Der DGB übt sich noch in internationalem Recht


image-alt

Nach den großen Demonstrationen der letzten Wochen gegen den Völkermord an den Palästinenser:innen — mindestens 5.000 Teilnehmende in Berlin am 14. Juni, mindestens 40.000 in Berlin am 21. Juni, mehr als 100.000 in Den Haag am 15. Juni usw. — sowie Aktionen von Hafenarbeiter:innen in Marseille, Genua und Tanger, die Waffenlieferungen nach Israel gestoppt haben, hat sich nun auch der DGB endlich zur Solidarität mit der palästinensischen Zivilbevölkerung bekannt und ein Ende der Siedler:innengewalt und Vertreibung sowie die ausreichende Versorgung der Menschen in Gaza mit Hilfslieferungen gefordert. Das ist ein kleines Zeichen für Menschlichkeit und war höchste Zeit.

Nach 21 Monaten Genozid bleibt die Resolution allerdings weit hinter den Erfordernissen zurück, nicht zuletzt, weil der Völkermord, der mittlerweile von Wissenschaftler:innen [NRC, 14.05.2025] und internationalen (Nichtregierungs-)Organisationen als solcher anerkannt ist [Amnesty International Bericht 2024; UNHCR Bericht, 15.05.2024], nicht als solcher benannt wird.

Palästinenser:innen werden vom DGB-Vorstand nur als Opfer oder Terroristen anerkannt, als Akteur:innen kommen sie nicht vor. Die wiederholten Forderungen palästinensischer Gewerkschaften an die internationalen Arbeiter:innenorganisationen [s. z.B. Palestine General Federation of Trade Unions, 1.10.2024] beispielsweise werden überhaupt nicht erwähnt. Stattdessen wird um Solidarität mit der Histadrut geworben, deren Präsident Arnon Bar-David sich am 23. November 2023 “voll Anerkennung und Stolz” beim Signieren von Raketen, die auf Gaza abgefeuert werden sollten, in den Werkshallen von Elbit Systems präsentierte [Histadrut, 23.11.2023]. Mit ihm zusammen nahmen drei weitere namentlich erwähnte Histadrut-Funktionäre an der Tour teil. Dieser Facebookpost ist auch im Juli 2025 noch frei einsehbar und nicht zurückgenommen. Kritik an der Histadrut gilt dem DGB-Vorstand als “unerträglich”, obwohl sich die offiziellen Vertreter:innen der Histadrut immer hinter die Kriege des israelischen Staates gestellt und sie offen unterstützt haben. Es ist also völlig unehrlich, einen Interessenkonflikt zwischen Histadrut und der zionistischen Arbeiter:innenbewegung mit der aktuellen faschistischen israelischen Regierung so darzustellen, als wäre es das Engagement für ein “friedliches Miteinander”.

Die jahrzehntelange Partnerschaft zwischen DGB und Histadrut soll nun auch noch im Herbst 2025 gründlich gefeiert werden. Doch die Basis der DGB-Gewerkschaften wird nicht richtig darüber informiert, was diese Partnerschaft eigentlich bedeutet, nämlich die Komplizenschaft mit einer 100-jährigen Geschichte der ethnischen Segregation der Arbeiter:innenklasse in Palästina.

Die DGB-Resolution lässt die israelische Aggression als “Militäroperation gegen die Hamas” im geschichtslosen Raum am 7. Oktober 2023 beginnen, ohne zu benennen, dass 2023 vor dem 7. Oktober bereits das tödlichste Jahr für palästinensische Kinder war [UNHCR, 28.08.2023].

Diese vom DGB-Vorstand verschwiegene Geschichte Israels ist die des Siedlerkolonialismus, zunächst im britischen Mandatsgebiet unterstützt durch die Balfour Erklärung 1917, dann mit der ethnischen Säuberung Palästinas während der Nakba von 1947 bis 1948 als den Ausgangspunkten des in der Resolution beschriebenen “Teufelskreises der Gewalt”. Nichts davon findet in der Resolution Erwähnung. Es wird lieber der Mythos des Rechts auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 UN Charta wiederholt, dabei hat kein Besatzer dieses Recht auf Selbstverteidigung gegenüber den illegal Besetzten. Die illegale Besetzung Gazas ist bereits seit 2004 mit der sogenannten „Wall Opinion“ des Internationalen Gerichtshofes festgestellt [IGH, „Summary of the Advisory Opinion of 9 July 2004“].

Statt sich mit dem internationalen Recht auseinanderzusetzen, feiert die DGB-Resolution den Oslo-Prozess als Durchbruch desselben „Teufelskreises der Gewalt”. Aber trotz Oslo gibt es weiterhin de facto kein Rückkehrrecht für Palästinenser:innnen, wie es eigentlich in UN Resolution 194 verbrieft ist. Deren Umsetzung musste Israel auch nicht erst mit dem Oslo-Prozess, sondern bereits 1949 zusichern, um überhaupt Mitglied der UN zu werden. Letztes Jahr hat schließlich auch der Internationale Gerichtshof festgestellt, dass Israel Artikel 3 des „Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ verletzt und damit ein Apartheidssystem aufrecht erhält [IGH, 19.07.2024].

Zwar fordert der DGB die deutsche Bundesregierung auf, sich zum humanitären Völkerrecht zu bekennen, doch weitergehende Forderungen nach einem Stopp der Waffenlieferungen an Israel bleiben aus — trotz der eindringlichen Warnung von über 40 UN-Menschenrechtsexpert:innen am 23. Februar 2024, diese zu stoppen [OΗCHR, “Arms Exports to Israel must stop immediately”].

Was eine “klare Haltung” zum Genozid ist, darf sich die Bundesregierung dementsprechend auch weiterhin selbst aussuchen. Anstatt die deutschen Bundesregierungen für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit im eigenen Land zu kritisieren, wird vom DGB-Vorstand “jegliche Gewalt” verurteilt, allerdings “insbesondere die […] gegen [die] GdP,” deren Mitglieder diese Repressionen durchsetzen. Wir als Gewerkschafter:innen für Gaza werden uns weiterhin an den zahlreichen Demonstrationen und Aktionen in Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung beteiligen und rufen alle Gewerkschafter:innen auf, sich uns anzuschließen. Wir werden weiter die Menschlichkeit und unsere Meinung verteidigen.

Es ist höchste Zeit für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften:

  • dass sich die deutschen Gewerkschaften mit ihrer eigenen Verantwortung und der Mittäterschaft der Histadrut bei den andauernden ethnische Säuberungen und dem Genozid gegen die Palästinenser:innen auseinandersetzen.

  • dass der DGB die Unterstützung für alle Pläne zur Militarisierung und Aufrüstung des deutschen Staates zurückzieht, angefangen bei einem sofortigen Ende der Waffenlieferungen an Israel und jeglicher militärischer Kooperation mit Völkermord. Das verstehen wir als Ablehnung von “Krieg, Gewalt und alle[n] Formen von Rassismus”, und “Vorrang” von “Verhandlungslösungen” vor dem Hintergrund des andauernden kolonialen Vernichtungskrieg in Palästina.

Gewerkschafter:innen für Gaza

  • Datum: 13 July 2025